Im Nordosten der Halbinsel Butjadingen liegt das kleine Dorf Volkers. Es ist auf einer Wurt gebaut. So nennt man einen von Menschen aufgeworfenen Hügel, auf dem die Häuser früher vor Hochwasser bei Sturmfluten geschützt waren. Eine geschlossene Deichlinie gab es hier erst im 18. Jahrhundert. Wer zu Fuß durch das Dorf geht, wird den Höhenunterschied spüren. Von hier aus kann man Natur- und Kulturschätze erkunden.

Salzwiesen und die künstlichen Inseln Langlütjen I und II

Vom Deich führt ein Weg zur Insel Langlütjen I.
Foto Maria Röbbelen

Vom Deich aus führt ein schnurgerader Weg durch die Salzwiesen zur Insel Langlütjen I. Links und rechts des Weges bilden Schilf und Strandsimse ein Röhricht. Obwohl auch hier bei Sturmflut die Flächen überspült werden, wachsen hier ganz andere Pflanzen als im Langwarder Groden oder auf den Salzwiesen bei Sehestedt. Grund dafür ist, dass mit der Flut weniger Salz auf die Flächen transportiert wird, denn nicht weit von hier mündet die Weser in die Nordsee. Das Süßwasser, das der Fluss mitbringt, vermischt sich mit dem salzigen Nordseewasser. „Brackwasser“ nennt sich diese Mischung. Bei Sturmfluten gelangt dieses Wasser auf die Flächen zwischen Ufer und Deich, weshalb man die Pflanzendecke „Brackwasserröhricht“ nennt. Das Schilf wurde früher im Winter bei gefrorenem Boden gemäht und als Reet zum Decken von Hausdächern verwendet.

Brackwasserröhricht links und rechts des Weges, im Hintergrund der Containerhafen von Bremerhaven
Foto Maria Röbbelen

Schilf
Foto Bärbel Supper

Strandsimse
Foto Maria Röbbelen

Holunderbüsche
Foto Maria Röbbelen

Vereinzelt können sogar Büsche wie dieser Holunder überleben. Es lohnt sich, hier nach Vögeln Ausschau zu halten, denn viele Arten nutzen diese sicheren Aussichtspunkte.

Rohrammerweibchen
Foto Brigitte Hüttenmeister

Rohrammermännchen
Foto Brigitte Hüttenmeister

Ruf der Rohrammer

Die Rohrammer fällt durch leicht „stotternden“ eintönigen Gesang auf. Das hat ihr den Spitznamen „Rohrspatz“ eingetragen. 

Bartmeise
Foto Brigitte Hüttenmeister

Rohrweihe
Foto Maria Röbbelen

Rohrweihen schätzen ausgedehnte Schilfgebiete, um ihre Jungen großzuziehen. Hier bei Volkers kann man sie regelmäßig beobachten, wenn sie auf Nahrungssuche über dem Schilf gleiten. Das Weibchen ist braun gefärbt und hat einen cremefarbenen Kopf, das Männchen erkennt man an einem grauen Schwanz und grauen Schwingen, die sich deutlich vom braunen Rücken abheben.

Schafstelze
Fotos Brigitte Hüttenmeister

Die leuchtend gelbe Schafstelze kann man oft vor sich auf dem Weg und in den gemähten Grasflächen entlang des Weges entdecken, wo sie nach Insekten sucht.

Betreten der Insel ist nur im Rahmen von Führungen möglich
Foto Maria Röbbelen

Weg durchs Watt
Foto Maria Röbbelen

Langlütjen I

Am Ende des Weges kommt man zu einer kleinen Insel, die man nicht betreten darf, weil sie in Privatbesitz ist.


Bis ins 19. Jahrhundert befand sich hier eine Düneninsel mit dem Namen Langlütjensand. 1869/70 wurde die Insel durch Erdwälle zu einem Küstenfort ausgebaut. Sie diente zusammen mit der künstlichen Nachbarinsel Langlütjen II dem militärischen Schutz der Wesermündung und damit Bremens. Im Zweiten Weltkrieg stand hier eine Flakstellung (Flak=Flugabwehrkanone).

Ein Steindamm verbindet die Insel mit dem Festland. Genaugenommen wurde dadurch eine Halbinsel aus Langlütjen I. In den Ritzen zwischen den Steinen findet man niedrig wachsende Salzwiesenpflanzen wie Strand-Milchkraut und Salzmiere.

Strand-Milchkraut (Glaux maritima)
Foto Maria Röbbelen

Salzmiere (Honckenya peploides)
Foto Maria Röbbelen

Rechts im Bild befindet sich Langlütjen I, im Hintergrund links Langlütjen II
Foto J. Schwanke

Langlütjen II

Langlütjen II liegt etwas weiter draußen im Watt in ca. 2 Kilometer Entfernung. Von 1872 bis 1876 dauerte die Bauzeit. Auch sie ist in Privatbesitz und kann nur im Rahmen von Führungen besichtigt werden.

Im September 1933 errichtete die Bremer Gestapo auf Langlütjen II ein Konzentrationslager. Politische Gefangene aus dem KZ Mißler, Bremen, wurden hierhin gebracht. Die Schreie von gefolterten Gefangenen sollen am Festland zu hören gewesen sein. „Teufelslager“ und „KZ unter dem Meer“ nannten die Einheimischen das Lager. Die Versorgung der 100 Gefangenen war so kompliziert und teuer, dass das KZ bereits nach fünf Monaten wieder aufgelöst wurde.

Löffler brüten auf Langlütjen II
Foto Brigitte Hüttenmeister

Auf der Insel Langlütjen II sollten ein Hotel und Eigentumswohnungen entstehen. Diese Pläne sind bisher nicht umgesetzt worden. Stattdessen sind Löffler eingezogen, die Jahr für Jahr hier ihre Jungen großziehen. Mit ihrer auffällig verbreiterten Schnabelspitze sieben sie kleine Fische und andere Wassertiere aus dem flachen Wasser.

Jedutenhügel

Jedutenhügel
Foto J. Schwanke

Am Rand von Volkers kann man einen hohen, spitzkegeligen Hügel entdecken. 

Kunstprojekt am Jedutenhügel
Foto J. Schwanke

Für eine Wurt ist die Fläche zu klein und die Form nicht geeignet. Eine Wurt ist ein künstlich aufgeworfener Hügel, auf dem die Menschen früher ihre Häuser bauten, um sie vor Überflutungen zu schützen. Seit Jahrhunderten rätseln die Menschen, warum sich ihre Vorfahren die Mühe gemacht haben, diesen etwa 6 Meter hohen Hügel aufzuwerfen. Hat man hier bedeutende Persönlichkeiten begraben? Wurde hier Gericht gehalten? Waren es Vorläufer von Leuchttürmen? Oder handelt es sich um Aussichtsstationen, von denen aus man Schiffe, die sich in kriegerischer Absicht näherten, frühzeitig erkennen konnte, um die Menschen durch Feuer auf dem Jedutenhügel warnen zu können? Für diese Deutung spricht, dass sich zahlreiche solcher Hügel entlang der Weser aufreihen. Die Warnung könnte sich „wie ein Lauffeuer“ verbreitet haben. 

Die Archäologen konnten dieses Rätsel bisher nicht lösen. Sicher ist nur, dass ein Jedutenhügel auf der gegenüberliegenden Weserseite in Bremerhaven irgendwann um 1300 entstanden sein dürfte. 

Eine künstlerische Interpretation kann man am Kanonenweg von Volkers erkunden.